Friedrich Kunath: Ein Traurigschönes Kunstspiel (plus eine Prise Ironie)
von Clara Henssen
Eine knurrende Espressomaschine, ein lächelnder Kellner hinter der Bar, die Aussicht auf den Museumsshop und die Frage danach, was jetzt kommt. Wir sind im Erdgeschoss des Modern Art Oxford und im ersten Stock erwartet uns die Kunst Friedrich Kunaths. Friedrich Kunath? Wer ist das?
1974 in der Karl-Marx-Stadt Chemnitz geboren, lebt und arbeitet er seit 2007 in Los Angeles. Sein Werk umfasst Malerei, Video, Skulpturen und Grafik. Inspirationsquellen: Konzeptkunst, Deutsche Romantik und Symbolismus. Aber Kunaths Biografie muss keine Rolle darin spielen, an seiner Kunst Gefallen zu finden. Und das ist das Schöne an ihr.
Auf in den ersten Stock.
Dort stoßen wir zunächst auf eine weiße Wand, davor ein schwarzer Holzstuhl, auf dem jemand seine selbstgestrickte Jacke vergessen hat. Über den Stuhlrücken hat er sie gehängt, als komme er gleich wieder. Schon beginnt man, Anstalten zu machen, die alte Strickjacke bei der Garderobe abzugeben. Könnte ja sein, dass sie jemand sucht. Als sich die Besuchermenge teilt aber erkennt man, dass es mit der Strickjacke doch mehr auf sich hat. Der vom Betrachter aus rechte Ärmel reicht nämlich meterlang über den Boden, bis hinüber zu einem zweiten Stuhl, an dem dieselbe, bunt gestreifte Strickjacke noch einmal hängt. Zwei Holzstühle, zwei Strickjacken, drei Ärmel. Diese Installation lässt vermuten, dass es Kunath um einen Dialog geht. Darum, eine Verbindung zwischen zwei fernstehenden Momenten oder Wesen herzustellen.
Schnell wird auch klar, dass Kunath Überraschungseffekte liebt. Ein Stückchen weiter stößt man auf ein Riesenstreichholz mit schwarzer Zündspitze, das quer über dem Boden liegt, als sei es einem kettenrauchenden Riesen aus der Tasche gefallen. Der normale Mensch denkt sich: „Ah, ein Streichholz!“ oder etwa „Das kann ich auch.“ Aber dem abgeklärten, müden Kunstliebhaber schlägt Kunath gekonnt ein Schnippchen, indem er ihm seine eigene Abgeklärtheit vor Augen führt. Denn weiter hinten lehnt das rote Pendant des Streichholzes an der Wand. Und die rote Zündspitze grinst einen schelmisch an.
Tritt man an den anderen Skulpturen vorbei, vor das erste Streichholz-Exponat, schaut man plötzlich auch hier einem rundköpfigen, besonnenen und, ja, irgendwie überlegenen Schelm in die Augen. Die Nase ist lang, fast Pinocchio-lang. Was haben die Schelme verbrochen? Sie haben unser Realitätskonzept betrogen. Ätsch bätsch.
Schon ist man mitten drin, in Friedrich Kunaths Kunst, die eine ist, die zu physischer und geistiger Interaktion auffordert. Traurig lacht sie über unsere alltägliche Phantasielosigkeit und bittet uns, ein paar Sekunden bei ihr zu verweilen und zu träumen…
Unter Wasser Trompete spielen, mit einer Orange kommunizieren, Bananen umarmen, rohe Eier aufs Meer zurollen lassen, am Strand von einem Schnurtelefon aus Anrufe entgegen nehmen, gegen die Vergangenheit Tennis spielen…geht nicht? In Kunaths Kurzfilm, der in einem zweiten Raum vorgeführt wird, geht das alles.
Tennis, Tiere, Nasen und Früchte sind Elemente, die wiederkehren. Wenn einem gigantische, mit Sand gefüllte Budapester Lederschuhe im Wege stehen und eine ebenso gigantische Orange in einem der beiden Schuhe thront, wenn man bei der Begehung ahnungslos ein Tennisspielfeld betritt, wenn zwei graue Windhunde traurig aus einem ansonsten bunten Bild herausschauen und wenn Vögel vor dem Sonnenuntergang in Endlosschleife schwärmen- dann tut man besser daran, genauer hinzusehen. Dann kann es passieren, dass die Orange lacht, der Windhund eine Clownsnase trägt, das Netz kaputt ist und sich hinter dem Sonnenuntergang ein Lacher aufhält. Dann kann es passieren, dass man eine andere, vielleicht vertraute, kindliche Sicht auf die Welt wieder gewinnt und sich freut und auch mal eine Träne vergießt angesichts dieses Kinderzimmers, das irgendwie weg, aber irgendwo noch da ist.
Bild oben: Aus You Owe Me A Feeling, 2012 (mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und Blum & Poe)
Bild mitte: Honey, I'm Home (Orange), 2012 (Foto: Michael Schmelling)
Bild unten: Aus You Owe Me A Feeling, 2012 (mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und Blum & Poe)